Reden

Von der Steueroase zur Bildungsoase

Rede zur Hochschulfinanzierung in der Debatte am 23.6.2016

 

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. ‑ Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Haushaltspolitikerin sehe ich meine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass unser aller Geld an der richtigen Stelle ankommt. Da ist wirklich noch eine Menge zu tun. (Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulen in unserem Land leiden seit Jahren an Geldmangel. Immer mehr Menschen studieren, jedoch häufig in überfüllten Hörsälen, unter schlechten Bedingungen. Was für eine Verschwendung von Kreativität, Potenzial und Lebenszeit. Das können wir uns wirklich nicht leisten.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Albert Rupprecht (CDU/CSU): Reden Sie mal mit den Bundesländern!)

Die Hochschulen versuchen nun, irgendwie mit der dauerhaften Unterfinanzierung umzugehen. Die Leidtragenden sind in der Regel die Beschäftigten, die immer mehr in prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden. 80 Prozent ‑ ich wiederhole: 80 Prozent ‑ des hauptamtlich beschäftigten wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen und 60 Prozent an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben befristete Arbeitsverträge. Die Hälfte aller Verträge für die Beschäftigten läuft lediglich zwölf Monate oder gar kürzer. Wenn wir die klügsten Köpfe in der Wissenschaft halten wollen, müssen wir die Arbeitsbedingungen grundlegend verbessern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Linke haben dazu den Antrag „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ eingebracht, den Sie leider abgelehnt haben. Aber wir können noch einmal darüber diskutieren. Die Bundesregierung setzt nicht auf gute Arbeit in der Wissenschaft, sondern auf maximale Flexibilisierung der Arbeit auf Kosten der Beschäftigten, aber auch auf Kosten der Wissenschaft selbst. Wer glaubt, dass maximale Flexibilisierung im Wissenschaftsbetrieb die Innovationsfähigkeit fördert, der irrt. Das ist ein gefährlicher Irrglaube. Dem dürfen wir nicht verfallen. (Beifall bei der LINKEN)

Wer einen Zwölfmonatsvertrag hat, ist die Hälfte der Zeit mit der Beantragung von neuen Fördermitteln und Stipendien beschäftigt. Aber Wissenschaft braucht Zeit, und gute Wissenschaft braucht mehr Zeit. Wir wären verantwortungslos, wenn wir unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diese Zeit nicht gäben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nun könnten die Wissenschaftspolitiker aller Fraktionen sagen: Soll doch der Haushaltsausschuss einfach höhere Ausgaben für die Wissenschaft beschließen und möglichst noch günstige Kredite aufnehmen. ‑ Das wäre die einfache Lösung. Die bessere Lösung ist aber, dass wir endlich einmal darüber reden, wofür wir eigentlich unser Geld ausgeben und ob wir in diesem Haus wirklich immer die richtigen Prioritäten setzen.

An zwei aktuellen Beispielen zeige ich Ihnen, welche falschen Entscheidungen hier getroffen werden. Beispiel eins: Der Haushaltsausschuss hat gestern gegen den Willen der Opposition 85 Millionen Euro für die Subventionierung des Kaufs von Elektrofahrzeugen freigegeben. Diese Kaufprämie führt zu einem reinen Mitnahmeeffekt, es handelt sich keineswegs um Innovationsförderung.

(Ralph Lenkert (DIE LINKE): Genau!) Sie werden mir doch alle zustimmen, dass diese 85 Millionen Euro in der Wissenschaft und Forschung wirklich besser angelegt gewesen wären.

(Beifall bei der LINKEN) Vorhin gab es schon einen Zwischenruf zu den Ländern. Ja, nicht nur der Bund muss sich in der Wissenschaftsfinanzierung engagieren, auch die Länder sind gefordert.

(Albert Rupprecht (CDU/CSU): So ist es!) Morgen soll der Bundestag eine Erbenverschonungssteuer, eine Geschenkpackung für reiche Erben beschließen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer gehen direkt in die Haushalte der Bundesländer. Ich frage mich, warum die Bundesländer, insbesondere auch Bayern, so großzügig auf zusätzliche Einnahmen verzichten. In jedem Jahr werden in Deutschland 200 Milliarden Euro vererbt. Ein lächerlicher Bruchteil fließt in die Kassen der Länder. Bundesregierung und Bundesländer verhalten sich so, wie wir es von Steueroasen kennen. Die Linke will aus der Steueroase Deutschland endlich eine Bildungs- und Forschungsoase machen.

Vielen Dank.

Foto, Hofschlaeger, pixelio.de.