Reden

Lassen Sie uns eine Gerechtigkeitsoffensive starten

Schlussrunde 1. Lesung der Haushaltsberatungen 2017

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Rehberg, ich hätte ja gar nicht gedacht, dass Sie hier die Koalition, und zwar die SPD, an einer Stelle kritisieren, an der Sie absolut recht haben.

(Beifall bei der LINKEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Sie waren mit in der Regierung, als keine Sozialwohnungen gebaut wurden!)

Sie haben das Dragoner-Areal angesprochen, Herr Kollege Rehberg. Wir haben ja alle gesehen – es wurde in den Medien in Berlin ja auch groß berichtet –, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Oppermann, einen Wahlkampftermin in Berlin gemacht hat und erklärt hat, wie ungerecht das doch alles liefe und man müsse doch Berlin diese Grundstücke günstig zur Verfügung stellen. Der Witz ist nur – gut, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das noch einmal klarzustellen –: Als wir im Haushaltausschuss über alle diese Fragen abgestimmt haben – Dragoner-Areal, Großgörschenstraße; das sind ja alles Themen, die die Berlinerinnen und Berliner gut kennen –, da hat die SPD gemeinsam mit Ihnen von der CDU/CSU – in dieser Frage sind Sie wenigstens ehrlich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU –

(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Wir sind immer ehrlich!)

immer gegen die Interessen der Berlinerinnen und Berliner gestimmt. Jetzt stellen Sie sich auf einem Wahlkampftermin hin und versuchen, den Eindruck zu erwecken, Sie hätten mit dem Bundestag und den Beschlüssen des Bundestages nichts zu tun. Das ist keine ehrliche Politik. Gut, dass wir das hier noch einmal aussprechen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf einen Aspekt der Rede von Herrn Schäuble vom Dienstag eingehen, der hier bisher nicht aufgegriffen wurde. Herr Schäuble ist jetzt nicht da; er ist bei einem anderen Termin. Aber er hat uns ja einen Stellvertreter entsandt, der gut zuhören wird.

(Christian Haase [CDU/CSU]: Ein guter Stellvertreter!)

– Da gehen die Meinungen in den verschiedenen Fraktionen wahrscheinlich auseinander. Aber das ist nicht das Thema meiner Rede.

Herr Schäuble hat gesagt, die anderen europäischen Regierungen müssten mal ihre Hausaufgaben machen. Das sind Sätze von deutschen Regierungen – leider werden da auch viele Bürgerinnen und Bürger aus der Bundesrepublik vereinnahmt, die mit solchen Sätzen gar nichts zu tun haben –, die in anderen Ländern besonderes schlecht ankommen, und das zu Recht; denn wir haben in der Bundesrepublik Deutschland auch noch eine ganze Menge zu tun und eine ganze Menge Reformen durchzuführen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber schauen wir uns an zwei verschiedenen Beispielen einmal an, welche Art Strukturreform denn auch von Deutschland aus in anderen Ländern durchgesetzt wurde. Es ist ein bisschen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten, aber blicken wir jetzt einmal nach Griechenland: Da hat doch die Bundesregierung, Herr Schäuble an der Spitze, dafür gesorgt, dass dort Reformen durchgesetzt wurden, die eben den Menschen nicht nützen, die dazu geführt haben, dass Renten und Löhne gekürzt wurden, dass die Wirtschaft dramatisch eingebrochen ist und die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland weiter gestiegen ist. Man hat Griechenland nicht geholfen, sondern man hat Griechenland geknebelt. Das, finde ich, ist keine gute Reform. Wir müssen etwas dagegen tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf der anderen Seite könnte man ja auch, wenn man einen solchen Einfluss hat, in Ländern mithelfen, vernünftige Reformen umzusetzen. Nun ist ja in dieser Woche von mehreren Kollegen, auch von den Regierungsfraktionen, darüber geklagt worden, dass Apple in Irland 0,005 Prozent Steuern zahlt, also eine lächerliche Summe. Hinzufügen muss man, dass Apple durch diese Steuervermeidungspolitik uns, den deutschen Staat, um 250 Millionen Euro Steuern quasi betrogen hat. Ich finde, das sollte man deutlich sagen und erwähnen, dass wir ja die Chance gehabt hätten, auf die Unternehmensteuerpolitik in Irland Einfluss zu nehmen.

Vor einigen Jahren war Irland ja auch in einem sogenannten Rettungsprogramm, unter einem Rettungsschirm, und es wurde gesagt: Wir werden genau die Bedingungen formulieren. Wir Linke haben schon damals gefordert: Es muss dafür gesorgt werden, dass es innerhalb der Europäischen Union nicht möglich ist, dass man einen Konkurrenzwettbewerb um die niedrigsten Steuern macht; denn das ist ungerecht nicht nur den anderen Ländern gegenüber, sondern auch in Irland ungerecht gegenüber der eigenen Bevölkerung. – Da müsste man einmal Einfluss nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings habe ich in der Debatte auch einige Töne vernommen, bei denen ich davon ausgehe, dass wir, wenn wir sie denn in den Haushaltsberatungen umsetzen, doch zu Verbesserungen kommen. Erstes Beispiel: Gesundheit. Aus den Reihen der SPD, der Grünen sowieso, unserer Fraktion, aber auch von einigen Kolleginnen und Kollegen der CDU haben wir gehört, dass es nicht weiter so sein kann, dass die Krankenkassenbeiträge zum großen Teil von den Versicherten bezahlt werden. Der Anteil der Arbeitgeber ist ja eingefroren, und die Versicherten sollen immer draufzahlen. – Das wäre doch ein gutes gemeinsames Projekt. Lassen Sie uns auch nicht bis zur Bundestagswahl warten, so etwas umzusetzen. Wir haben ein ganzes Jahr Zeit, und dieses Jahr sollten wir nutzen, um die Parität bei den Krankenkassenbeiträgen wiederherzustellen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Steffen-Claudio Lemme [SPD])

Zweites Beispiel. Rente. Auch das war gestern ein großes Thema. Ich denke, die Menschen haben nach 26 Jahren Vereinigung das Recht darauf, dass wir endlich ein gleichwertiges Rentensystem in Ost und West haben. Wir können hier auch eine mutige politische Entscheidung treffen und müssen nicht über Rosinenpickerei oder anderen Unsinn reden. Wir brauchen endlich gleiche Renten in Ost und West, vor allen Dingen brauchen wir wieder ein höheres Rentenniveau, und wir brauchen eine solidarische Mindestrente.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn hier über Steuern gesprochen wird, dann müssen wir uns, glaube ich, ehrlich machen. Wir müssen dafür sorgen, dass niedrige und mittlere Einkommen entlastet werden. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch dafür sorgen, dass endlich eine große Steuerreform durchgeführt wird, die Kapitaleinkünfte genauso besteuert wie Arbeitseinkünfte, die Vermögende nicht länger begünstigt und die Finanzspekulanten nicht weiter ihre Geschäfte machen lässt. Eine solche Reform würde nicht nur die Mehrheit in unserem Land, sondern auch die Mehrheit in anderen europäischen Ländern begrüßen.

Wir haben viel Veränderungsbedarf. Lassen Sie uns gemeinsam eine Gerechtigkeitsoffensive starten! Setzen wir das in den Beratungen zum Haushalt um!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)