Reden

Krankenhäuser sind keine Schraubenfabriken

Rede am 22.11. im Deutschen Bundestag/ Beratung des Bundeshaushalts 2017/ Einzelplan Gesundheit

Der Kieler Landtag hat beschlossen, dass Arbeitgeber sich wieder in gleicher Höhe wie Arbeitnehmer an der Finanzierung des Gesundheitssystem beteiligen sollen. Dafür wolle man sich in einer Bundesratsinitiative einsetzen. Das ist eine gute Entwicklung. Die Bundesregierung muss dem Folge leisten und endlich wieder Gerechtigkeit herstellen - für ein solidarisches Gesundheitssystem.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Linke ist es ein wichtiges Ziel, endlich wieder die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung herzustellen. Das erkennen immer mehr Menschen in unserem Land. Beispiel: Schleswig-Holsteinischer Landtag in Kiel. Der Landtag in Kiel hat beschlossen, dass die Arbeitgeber wieder einen ebenso hohen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung leisten sollen wie die Arbeitnehmer. Das wurde am vergangenen Freitag mit den Stimmen der SPD, der Grünen, des SSW und der Piraten beschlossen. Wir brauchen solche Beschlüsse nicht nur in den Landtagen, sondern vor allem hier im Bundestag.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Wie hat denn die Linke in Kiel abgestimmt?)

In Berlin bereitet sich die künftige Koalition von SPD, Linken und Grünen auf die Regierung vor. Auch hier wurde beschlossen, die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung zu fordern. Auch das ist eine gute Entwicklung.

(Beifall bei der LINKEN - Mechthild Rawert (SPD): Genau deshalb haben wir es gemacht!)

‑ Es ist gut, wenn wir uns so einig sind. - Darum, finde ich, sollten wir hier im Bundestag endlich dafür sorgen, dass Kostensteigerungen im Gesundheitssystem nicht allein den Versicherten aufgebürdet werden. Die beste Lösung wäre, wenn wir endlich die schon lange diskutierte und versprochene Bürgerversicherung einführen würden.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU)

Sie, Herr Gröhe ‑ das verstehe ich in gewisser Weise ‑, möchten vor der Bundestagswahl am liebsten gar nicht über Kostensteigerungen und Zusatzbeiträge sprechen.

(Thomas Stritzl (CDU/CSU): Dafür haben wir Sie ja!)

‑ Ja, genau. Deshalb sollten Sie genau zuhören und einige Lehren aus unseren Vorschlägen ableiten.

(Reiner Meier (CDU/CSU): Rote Märchen!)

Das Problem ist, dass die Kostensteigerungen, die Zusatzbeiträge garantiert nach der Bundestagswahl kommen werden, aber wir haben alle gemeinsam die Möglichkeit, das zu verhindern, wenn wir endlich wieder die Parität herstellen.

(Beifall bei der LINKEN - Max Straubinger (CDU/CSU): Ihre Prophezeiungen sind noch nie eingetroffen!)

Wir können auch direkt einen Beitrag zur Beitragsstabilität leisten. Sie alle wissen, dass es einen Bundeszuschuss gibt, der die versicherungsfremden Leistungen bei den Kassen abdecken soll. Der betrug im Jahr 2012  14 Milliarden Euro. Zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes wurde er in den darauffolgenden Jahren abgesenkt. Der Finanzminister ist also seinen Verpflichtungen gegenüber den Beitragszahlern nicht nachgekommen und hat einfach den Bundeszuschuss um Milliarden gesenkt, um seine schwarze Null aufs Papier schreiben zu können. Ich könnte Ihnen noch andere Beispiele nennen, die zeigen, dass die schwarze Null mindestens genauso manipuliert ist wie die Abgaswerte von Volkswagen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Uns geht es aber nicht nur um die Versicherten, sondern auch und vor allem um die Beschäftigten im Gesundheitswesen. Ein großes Thema ist der Personalmangel, insbesondere im Pflegebereich. Das Verhältnis von Beschäftigten zu Patienten liegt in unserem Land bei 1 : 21. In Dänemark kommen auf einen Beschäftigen zehn Patienten, in Norwegen sogar nur neun. Ich versichere Ihnen: Wenn wir eine Umfrage in den Krankenhäusern machen würden, ob die Patienten und die Beschäftigten die schwarze Null oder mehr Personal wichtiger finden würden, dann wäre das Ergebnis ‑ ich glaube, wir kennen die Antwort ‑ nicht die schwarze Null.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hören immer wieder Klagen aus Krankenhäusern, dass die Länder zu wenig in die Krankenhäuser investieren.

(Hubert Hüppe (CDU/CSU): Das ist allerdings wahr!)

Wir als Linke haben einen Antrag gestellt, mit 2,5 Milliarden Euro Bundesmitteln die Sanierung der Krankenhäuser voranzutreiben.

(Thomas Stritzl (CDU/CSU): Haben Sie mal die Verfassung gelesen?)

Leider wurde dieser Antrag von der Koalition abgelehnt. Dabei ist doch schon geplant - wir werden nächste Woche etwas über den Nachtragshaushalt erfahren -, die Schulen mit Bundesmitteln zu sanieren. Warum machen wir das nicht genauso bei den Krankenhäusern? Das ist doch eine gute Idee. Ich finde, der sollten Sie sich anschließen.

(Beifall bei der LINKEN - Reiner Meier (CDU/CSU): Verfassung lesen!)

- Wir bekommen nächste Woche Nachricht über den Nachtragshaushalt. Da werden Sie das lesen.

Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: Der Haushaltsausschuss hat die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, noch in dieser Wahlperiode Prüfungsrechte für den Bundesrechnungshof gegenüber den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und deren Bundesvereinigung sowie gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in das laufende Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Das ist wirklich ein gemeinsamer Erfolg, den wir hier gemeinsam erarbeitet haben. Er muss jetzt umgesetzt werden; das ist bitter nötig.

(Beifall des Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE))

Nach all den Skandalen bei Deutschlands obersten Kassenärzten müssen die Geschäfte dieser Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen in Zukunft deutlich strenger überprüft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

- Sie können eigentlich alle klatschen, weil ja alle Fraktionen zugestimmt haben. Aber das nur als kleiner Hinweis von mir.

Die oberste Verwaltung der Kassenärzte steht wegen überhöhter Zuzahlungen an Ruheständler und wegen dubioser Immobilienfinanzierungen in der Kritik. Die Aufgabe dieser Vereinigung ist aber eine ganz andere. Sie soll nämlich die medizinische Versorgung in unserem Land sicherstellen und eben nicht in die eigene Tasche wirtschaften. Das muss ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Kuchen im Gesundheitswesen ist groß, und viele wollen davon etwas haben. Immer häufiger werden wirtschaftliche Interessen höher bewertet als medizinische Notwendigkeiten. Eine Umfrage, die der Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen durchgeführt hat, hat ergeben, dass Chefärzte der Auffassung sind, dass 39 Prozent der Eingriffe allein aus ökonomischen und nicht aus medizinischen Gründen erfolgen. Das darf nicht passieren. Herr Gröhe, jeder muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass ein Krankenhaus wie eine Schraubenfabrik zu führen ist. An erster Stelle muss wieder die Gesundheit stehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)