Reden

Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein

Rede zum Bundeshaushalt 2020, Einzelplan Familie, Senioren, Frau und Jugend

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familien, Senioren, Frauen und Jugend, das sind verdammt viele Menschen, Frau Giffey, die von Ihrem Ministerium Unterstützung erwarten. Dafür hat die Bundesregierung nur knapp 12 Milliarden Euro eingestellt. Wir finden, das ist entschieden zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN) Nur eine Vergleichszahl: Für Rüstung und Militär will die Bundesregierung im kommenden Jahr 50 Milliarden Euro ausgeben. Das ist ein grobes Missverhältnis.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt (AfD)) Uns sind Familien, Senioren, Frauen und Jugend mehr wert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN) Mehr als 2,7 Millionen Kinder in unserem Land wachsen in Armut auf, und das ist für unser reiches Land ein absolut unhaltbarer Zustand. 41,5 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind arm. Das ist eine erschreckend hohe Zahl. Das dürfen Sie als Familienministerin doch nicht hinnehmen, Frau Giffey.

(Beifall bei der LINKEN) Auch kinderreiche Familien mit drei oder mehr Kindern sind besonders häufig arm. Die Armutsquote liegt in diesem Bereich bei 30 Prozent. Das Kindergeld ist erhöht worden - das ist gut -, jedoch geht die Erhöhung am tatsächlichen Bedarf vieler Familien vorbei. Familien, die Hartz IV bekommen, sind nach wie vor von der Erhöhung des Kindergeldes faktisch ausgeschlossen, und das ist grob ungerecht, meine Damen und Herren.  (Beifall bei der LINKEN) Gleichzeitig werden Familien mit hohen Einkommen über den Kinderfreibetrag nach wie vor um bis zu 100 Euro stärker entlastet als Familien im unteren und mittleren Einkommensbereich über das Kindergeld. Ich finde, das ist Klientelpolitik für die Besserverdienenden in unserem Land. Das muss sich ändern.

(Beifall bei der LINKEN) Ein Kind aus einer armen Familie darf vom Staat nicht schlechter gestellt werden als ein Kind aus einer reichen Familie. Wir brauchen endlich eine wirksame Kindergrundsicherung, die verhindert, dass Kinder in Armut aufwachsen müssen;

(Beifall bei der LINKEN) denn Armut demütigt, Armut grenzt aus, und durch Armut verschwendet unsere Gesellschaft auch Talente. Und nichts davon dürfen wir zulassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

500 Millionen Euro haben Sie für das Sondervermögen „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ eingestellt. Das ist gut. Doch vergessen wir nicht: Uns fehlen bis zum Jahr 2025 circa 26 000 Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer. Wir haben jetzt schon einen dramatischen Lehrernotstand. Wir brauchen also ein Bund-Länder-Programm für unsere Kinder. Bund und Länder müssen kooperieren; denn die schönste Schule nutzt unseren Kindern nichts, wenn dort keine Lehrerinnen und Lehrer sind, die unterrichten.

(Beifall bei der LINKEN) Dass es für Bund und Länder nicht einfach ist, zu kooperieren, das wissen alle, die schon mal im Vermittlungsausschuss gesessen haben. Aber für unsere Kinder lohnt sich diese Anstrengung. Stichwort „Demokratieförderung“. Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg haben wieder deutlich gemacht, wie dringend wir ein Demokratiefördergesetz brauchen.

(Martin Reichardt (AfD): Wieso? Weil Ihr untergegangen seid? Oder warum? Der Stalinismus wurde zurückgedrängt! Das ist ein gutes Zeichen!)

Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben wir darüber diskutiert. Das Vorhaben ist an CDU und CSU gescheitert. - Sie können brüllen. Wer brüllt, hat unrecht, meine Damen und Herren. -

(Beifall bei der LINKEN - Martin Reichardt (AfD): Ja, das stimmt! Da gebe ich Ihnen recht!) Demokratieförderung ist kein Projekt, sondern eine Daueraufgabe. Ich frage mich: Wann wollen die Unionsparteien endlich damit beginnen, unsere Demokratie wirklich wirksam zu schützen? Das geht nämlich nicht mit mehr Polizei, sondern nur mit mehr Menschen, die sich mit Zivilcourage gegen Nazis zur Wehr setzen.

(Beifall bei der LINKEN - Martin Reichardt (AfD): Das sagt die Mauermörderpartei! Das finde ich ja großartig!)

Es ist gut, dass das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nun entfristet werden soll. Allerdings kann Die Linke nicht akzeptieren, dass die Mittel für die Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie gekürzt werden sollen. Sind für das Jahr 2020, also das kommende Haushaltsjahr, noch 107,5 Millionen Euro eingeplant, stehen für 2023 nur noch 30,5 Millionen Euro für diese Maßnahmen bereit. Das entspricht einer Kürzung um zwei Drittel. Das ist nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN) Ich glaube, alle Menschen, die sich in der ganzen Republik gegen Nazis zur Wehr setzen, die sich für Toleranz, Vielfalt und Demokratie einsetzen, gehören unterstützt und gefördert. Wir dürfen sie nicht alleine lassen. Nutzen wir die Haushaltsberatungen, um diesen Haushalt solidarischer, gerechter und sicherer zu machen.

Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))